Beitrag

13 Januar 2015

Zu den Anschlägen auf Charlie Hebdo

||
0 Comment

Schere_2

 

 

Der Terroranschlag in Paris wird Vieles verändert – aber nicht von selbst.

Nach dem unglaublichen Schock, der Trauer und Fassungslosigkeit brauchen wir mehr als symbolische Tränen auf Facebook und bequeme Solidaritätsbekundungen. In dieser Zeit größter Schwäche muss unsere Stärke das sein, was von keinen Sturmgewehren zerschossen werden kann: Unsere unbeirrbare Überzeugung, den Wert der Pressefreiheit, ja den Wert spitzer, polemischer Satire zu verteidigen. Sie ist die schlagfertige Zunge unserer Demokratie, ohne die wir den faden Einheitsbrei an Informationen zu oft unreflektiert konsumieren würden. Dieses Bekenntnis aber erfordert Mut zur Ehrlichkeit und die fehlt an vielen Ecken schmerzlich. Auf dem Trauerzug durch Paris waren Politiker aus aller Welt zusammengekommen, um den Anschlag auf die Redaktion und die Pressefreiheit zu bedauern. Die Washington Post erstellte eine Liste der Anwesenden und zog vielen vermeintlich lupenreinen Demokraten den Trauerschleier vom Gesicht. Da wäre zum einen der Premierminister Isreals, Benjamin Natanjahu, dessen Militär 2008 sechs Journalisten im Gaza-Streifen tötete. Unter ihnen war auch der türkische Premierminister, Ahmet Davutoğlu, dessen Land trauriger Spitzenreiter inhaftierter Journalisten ist. Und auch der amerikanische Justizminister hakte sich bei den Trauernden unter, der ein Land vertritt, indem ein Reporter verhaftet wurde, weil er über die Unruhen in Ferguson berichten wollte.
Geheuchelte Wertesolidarität beleidigt nicht nur die getöteten Redakteure. Es beschmutzt den sorgfältig polierten Glanz unserer errungen Pressefreiheit, die wir so stolz vor uns hertragen. Es macht uns als Wertegemeinschaft unglaubwürdig und offenbart so neue Schwächen, die all jene ausnutzen werden, die keine Meinungsfreiheit akzeptieren. Auch wir selbst sollten im Moment des Innehaltens zur Ehrlichkeit zurückfinden. Nous ne sommes pas Charlie Hebdo, wir sind nicht Charlie Hebdo, denn wir wissen nicht, wie es ist, für seinen Beruf sterben zu müssen. Wie es ist, mit scharfsinnigen, klugen, ja auch provokanten Karikaturen die Gesellschaft zur Reflexion bewegen zu wollen. Wie es ist, unbequem zu sein. Das sollten wir nicht als Entmutigung verstehen, sondern als Tatsache und Aufforderung, unsere Alltagslethargie abzuschütteln und aktiv zu werden. Dazu brauchen wir Mut, Willenskraft und eine gnadenlose Ehrlichkeit zu uns selbst.

Fangen wir damit an. Jetzt.

|