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14 September 2015

Wiederentdeckung der Menschlichkeit

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Ein Kommentar zum zwischenmenschlichen Miteinander während der Flüchtlings-Krise.

Verfasst von Micro-Europa Reporterin Andrea Fritsche.
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Die Welle, sie ist angekommen.
Seit in den letzten Tagen und Wochen die Flüchtlingsströme aus dem
Nahen und Fernen Osten Deutschland erreicht haben, kann sich auch
der letzte Ungläubige dem Eindruck nicht mehr verwehren: Es gibt sie,
die tausenden Menschen ohne Heimat, ohne Zukunft, ohne Existenz.
Bis Ende 2015 schätzt das Bundesamt für Migration die Zahl der
Flüchtlinge in Deutschland auf 800.000. Diese Menschen kommen zu
uns mit nur einem im Gepäck: Der Hoffnung auf Leben, sie ist ein
Menschenrecht und jedem von uns unantastbar innewohnend.
Egal, ob Kriegs- und Religionsflüchtlinge aus Afghanistan, Irak, Syrien
oder Wirtschaftsflüchtlinge aus den Balkanstaaten, jeder Einzelne hat
seine Geschichte und seine Gründe.
Nicht wenige kritisieren die Entscheidung von Kanzlerin Merkel eine
Ausnahmeregelung zur einmaligen Aufnahme von Flüchtlingen
genehmigt zu haben. Aber noch viele mehr wettern über die
Unmenschlichkeit der Schlepper, die ihre Opfer verhungern oder
ersticken lassen.
Wie also lautet die Alternative – oder besser gefragt – haben wir eine
Alternative? In der Annahme einer grundsätzlichen Mitmenschlichkeit
bleibt nur die Hilfe und die fängt beim kleinsten Glied unserer
Gemeinschaft an: bei uns!
Leider entflammt hier schon der nächste Streitpunkt. Unsere
konsumverwöhnte und scheinmotivierte Gesellschaft betrachtet es als
„undankbar“ und „nicht wertschätzend“, wenn Wohltätigkeitsverbände
und dergleichen vor einer Flut an Sachspenden nur noch kapitulieren
können. Aber was richten zig Tüten an Kleidung, Essen und Spielzeug
aus gegen eine verkümmerte Seele?
Der wahre Wert des Menschen liegt doch in seinem menschlich sein,
seinem miteinander sein und seinem füreinander da sein. Diese Gabe
kostet uns keinen Cent, sondern nur ein paar Minuten unserer Zeit. Wie
wäre es zum Beispiel, wenn wir in eine Unterkunft gehen und anstatt
vollen Tüten unser offenes Ohr, unsere starke Schulter oder unsere
haltende Hand schenken? Wenn wir mit anpacken beim Windeln
wechseln, Kochen oder Fußball spielen? Wenn wir einfach nur
Menschen sind und menschlich handeln?
Wichtiger noch ist, dass wir nicht nur Mensch sind sondern auch Mensch
bleiben, denn meist kommt nach dem großen Knall die Versenkung.
Aber tausende Menschen werden nicht einfach so in der Versenkung
verschwinden, sie werden – zumindest vorerst – unter uns bleiben und
wünschen sich nichts mehr als eine neue Heimat zu finden. Versuchen
wir sie ihnen nahe zu bringen durch längerfristiges Mitgefühl und
nachhaltige Unterstützung.

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